So, hier nun ein weiteres Stück sommerlunder Minne
Ich wanderte des Frühlings, durch Wiesen, Berg und Wald
Verloren in Gedanken, macht´ ich plötzlich halt
Ein´ Melodey vernahm ich, noch nie zuvor gesungen
Mein Herz ward eingenommen, nur wem war dies gelungen?
Schnell wandte ich meyn Kopfe, dorthin wo ich vernahm
Die unbekannte Stimme, unendlich zart und warm
Ich sah nur noch ein Vöglein, das sich vom Ast aufwandt´
Und falkengleicher Würde, im tiefen Wald verschwand
Kein Zögern und kein Hardern verschaffte mir den Halt
Der segenreich wohl wäre; ich ging tief in den Wald
Voll Hoffnung zu erhaschen, ein Blick aufs Vögeleyn
Das mir eyn Liede sanget, so unvergesslich reyn
Bin ohne Rast gelaufen, zehn Tage und zehn Nächte
Oh dass mich nur mein Schritt zum kleinen Vögleyn brächte
Ich konnte kaum noch Atmen, als ich es endlich sah
Das lieblich kleine Vögleyn war plötzlich allzu nah
Vögleyn, wart und bleibe, und sing mir noch eyn Lied
Ich treue Seele bleibe, wo immer du hinziehst
Sieh meyne Augen funkeln vor Freude und vor Glück
Und würdest du nun fliegen, ich fänd nicht mehr zurück
Das Herz besiegt Verstand, lässt meine Zunge singen
Ich Thor wollt unbedacht das Vögleyn zu mir zwingen
Drum fliegt es nun, das Vögleyn, erschrocken von mir fort
An einen sicher fernen, mir unbekannten Ort
So irrte ich nun Wochen, in tiefster Dunkelheit
Und quälte mich sehr innig, durch selbstgebacken Leyd
Auf dass ich hieraus lerne, für jeden neuen Tag
An dem ich diese Schmerzen, in meinem Herzen trag
Kaum lichtet sich der Wald, ist´s Hoffnung die da Wächst
Find´ ich wohl den Weg, auf dem ich Schritt zuletzt?
Da fällt meyn Blick, ich Armer, auf eine hohe Feste
Und seh mit feuchtem Auge was mich wie nie verletzte
Es singt das kleyne Vögleyn, hoch droben auf der Zinne
Eynem edlen Herren, dem alle Kunst der Minne
Wohl ansteht und gelingt, und nicht drauflosgeschrien,
wie mir nur Leyden bringt
Ich musste nun auch hören, wie das Vögleyn sang
Von seyner tiefen Liebe, im wunderschönen Klang
Die es ehrlich spürte, für seynen Herrn Gemahl
Ich musste hier verharren, ich hatte keyne Wahl
So schlag ich auf meyn Zelte, und halte mich bereyt
Bis mich eynes Tages, das Vögleyn hier befreyt
Um aller Welt zu singen, von dieser Melodey
Die tugendhaften Herren, die allerschönste sey
Jakob von Lichtenfels im Jahre 1204
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